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Dick und gesund? Eine Gen-Mutation stellt die Regeln auf den Kopf

Tim Hollstein
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01.11.2025
Übergewicht bedeutet nicht immer Krankheit. Eine neue Studie zeigt, warum manche Menschen trotz Adipositas erstaunlich gesunde Blutfett- und Blutdruckwerte haben. Der Schlüssel liegt in einer seltenen Gen-Mutation, die den Stoffwechsel völlig neu reguliert.

Wir alle kennen die gängige Formel: Übergewicht führt fast zwangsläufig zu Gesundheitsproblemen. Ein hoher Body-Mass-Index (BMI) gilt als einer der größten Risikofaktoren für Bluthochdruck, schlechte Blutfettwerte und gefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch was wäre, wenn diese Gleichung nicht für jeden gilt? Eine neue Studie stellt genau das infrage und zeigt: Es gibt Menschen, die trotz schwerer Adipositas ein gesundes Stoffwechselprofil aufweisen. Der Grund dafür liegt tief in unseren Genen verborgen.

Das Rätsel der "gesunden Adipositas"

Ärzte und Wissenschaftler beobachten schon länger das Phänomen, dass manche übergewichtige Menschen metabolisch völlig gesund erscheinen, während andere bereits bei leichtem Übergewicht ernsthafte Probleme entwickeln. Warum ist das so? Forscher sind dieser Frage nachgegangen und haben sich eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen angesehen: Personen mit einer seltenen genetischen Mutation.

Eine aktuelle Studie, die in Nature Medicine veröffentlicht wurde, konzentrierte sich auf den sogenannten Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R). Dieser Rezeptor im Gehirn spielt eineentscheidende Rolle bei der Steuerung von Hunger und Körpergewicht. Funktioniert dieser Rezeptor nicht richtig (ein sogenannter "Funktionsverlust-Defekt"), führt dies oft schon in der Kindheit zu einem starken Hungergefühl und schwerer Adipositas.

Die verblüffende Entdeckung

Das Forscherteam erwartete, bei diesen Menschen besonders schlechte Gesundheitswerte zu finden. Doch das Gegenteil warder Fall. Trotz ihrer Adipositas waren die Träger dieser Gen-Mutation metabolisch überraschend gesund – oft sogar gesünder als normalgewichtige Vergleichspersonen.

Was die Studie herausfand:

  • Niedrigere Blutfettwerte: Die Betroffenen hatten signifikant niedrigere Werte beim "schlechten"  LDL-Cholesterin und den Triglyceriden.
  • Gesünderer Blutdruck: Sie wiesen tendenziell einen niedrigeren Blutdruck auf als andere Menschen mit     ähnlichem BMI.
  • Hinweise auf geringeres Herzinfarkt-Risiko: Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen tendierte geringer zu sein, auch wenn es hier keinen signifikanten Zusammenhang gab.

Diese Ergebnisse zeigen, dass der MC4R-Signalweg im Gehirn nicht nur unser Gewicht, sondern auch unseren Fettstoffwechsel und möglicherweise unsere Herzgesundheit direkt beeinflusst –und zwar unabhängig voneinander!

Wie kann das sein? Ein anderer Stoffwechsel-Weg

Die Frage ist nun: Warum sind diese Menschentrotz Adipositas so gut geschützt? Die Studie liefert auch hierzu erste Hinweise. Es scheint, dass ihre Körper Fette anders verarbeiten.

Nach einer fettreichen Mahlzeit war der Anstieg von Fetten im Blut (Triglyceride) bei den Genträgern deutlich geringer. Ihr Körper scheint extrem effizient darin zu sein, Fette aus dem Blutkreislauf direkt ins Fettgewebe zu "räumen" und dort sicher zu speichern. Beianderen Menschen zirkulieren diese Fette oft länger im Blut, wo sie sich an den Gefäßwänden ablagern und zu Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) führen können.

Einfach gesagt: Ihr Fettgewebe funktioniert als eine Art "sicherer Hafen" für Kalorien, anstatt dass die Fette im Blut "herumschwimmen" und Schaden anrichten.

Was lernen wir daraus?

Diese Studie ist ein echtes Highlight, aber esist wichtig, die Ergebnisse richtig einzuordnen:

  1. Kein Freifahrtschein: Die Studie bedeutet nicht, dass Adipositas generell harmlos ist. Bei der     überwältigenden Mehrheit der Menschen bleibt Übergewicht ein massiver Risikofaktor für Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Herzinfarkt.
  2. Eine seltene Ausnahme: Die untersuchte MC4R-Mutation ist selten und erklärt nur einen winzigen Bruchteil der Adipositas-Fälle.
  3. Weiter Forschung nötig: Die eigentliche Sensation ist die Entkopplung von Gewicht und Krankheit. Die Forschung kann nun besser verstehen, wie das Gehirn den Fettstoffwechsel steuert. Ziel ist es, in Zukunft vielleicht Medikamente zu entwickeln, die genau diesen Schutzmechanismus nachahmen – also die Blutfette senken, selbst wenn das Gewicht hoch bleibt.

Die Wissenschaft fängt gerade erst an zuverstehen, wie komplex die Zusammenhänge zwischen Genen, Gewicht und Blutfetten wirklich sind. Seien wir gespannt auf neue Erkenntnisse aus dem Bereich.